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Korrespondenz


Der Briefwechsel zwischen Jean und Aino Sibelius

Es gibt aufbewahrte Dokumente aus den Jahren 1890-1931. In jener Zeit schrieb Jean Sibelius fast 700 Briefe an seine Frau, die ihrerseits deutlich über 400 Briefe an ihren Mann schrieb. Wenn man diese, insgesamt etwa 1 100 Dokumente in kronologischer Ordnung durchgeht, ist es leicht zu bermeken, dass Teile des Briefwechsels fehlen. Im Material gibt es Briefe mit Fragen, die nicht beantwortet werden und im Gegenteil. Die Schuld kann natürlich am Postwesen liegen, aber vielleicht hatte Aino Sibelius auch etwas mit der Sache zu tun.

Sibelius’ Nachricht an seine Frau um 1903 und der von Aino mehrere Jahre später geschriebene Text auf der Rückseite der Visitenkarte.

Der erhaltene Briefwechsel beginnt im November 1890. Jean Sibelius ist auf der Reise nach Wien. Etwa drei Wochen vorher hat er sich im Geheimen mit Aino Järnefelt verlobt und schrieb auf Schwedisch aus Hanko an seine Geliebte. Aino antwortete drei Tage später auf Finnisch.

Die Korrespondenz endete im Jahr 1931, als Sibelius seine letzte Reise ins Ausland unternahm (Siehe Reisen). Der Komponist telegrafierte am 12. Juni seiner Frau aus Berlin und bat sie, Geld für die Rückreise zu senden. Aino Sibelius antwortete vor Johannis.

Was erzählt uns diese einmalige Korrespondenz? Sie gibt einen Querschnitt durch das Leben eines bedeutenden Komponisten. Sie erzählt von einer außergewöhnlich langen Ehe mit ihren Bergaufs und Bergabs sowie einer großen gegenseitigen Liebe. Anfangs schrieb Sibelius auf Schwedisch, aber begann im Jahr 1893, auch Finnisch zu verwenden. Seitdem findet man beide Sprachen in den Botschaften, aber hauptsächlich sind sie auf Schwedisch abgefasst. Auch Aino Sibelius benutzt beide Sprachen in den Briefen an ihren Mann. Die finnischsprachigen Briefe machen jedoch den Großteil der Dokumente aus.

In mehreren Sibelius-Biographien sind Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen den Ehegatten herausgegeben worden, wie auch als selbständige Sammlungen. Natürlich hoffen die an Jean Sibelius interessierten Musikfreunde, dass, wenn eine kritische Ausgabe des musikalischen Schaffens des Komponisten veröffentlicht wird, auch die Korrespondenz zwischen dem Komponisten und seiner Frau als eine kritische Edition erscheinen wird. 

Jean Sibelius’ Korrespondenz

Die ersten von Sibelius abgefassten Botschaften waren anfangs kurze Grüße eines kleinen Jungen an seine Verwandten als Beilagen zu den Briefen seiner Mutter. Der erste ganz eigene Brief stammt vom Ende des Jahres 1874: der 9-jährige Janne bedankt sich bei seiner Oma und seiner Tante in Loviisa für Weihnachtsgeschenke.

Während seiner Schul- und Studienzeit korrespondierte Sibelius hauptsächlich mit den Verwandten. Als er Kullervo 1892 komonierte, hatte er schon begonnen, Mitteilungen mit u.a. Adolf Paul und Robert Kajanus zu wechseln. Während der ersten zwölf Jahren der Ehe 1892-1904 schlossen sich u.a. Axel Gallén, Armas Järnefelt sowie Axel Carpelan, der für den Komponisten besonders wichtig war und der ihm sehr nahe stand, dem Korrespondenzkreis von Sibelius an. Auch die internationale Korrespondenz des Komponisten begann zu jener Zeit. Sibelius nahm zum Beispiel ja 1900 an der Europa-Tournee des Robert Kajanus-Orchesters  teil und gastierte 1901 als Dirigent in Heidelberg.


Ab dem Umzug nach Ainola erweiterte sich die Korrespondenz des Komponisten schnell und schon in den 1910er Jahren half auch Aino Sibelius’ Hilfe dabei mit. Seit den 1920er Jahren gehörten auch die Töchter des Komponisten zu den Hilfstruppen.

In den 1930er Jahren war Sibelius schon einer der renommiertesten zeitgenössischen Komponisten und erhielt aus allen Teilen der Welt Post von den Verehrern. Erst gegen Ende der 1930er Jahre konnte die Korrespondenz perfekt organisiert werden. Sibelius’ Privatsekretär Santeri Levas diente dem Komponisten sehr taktvoll und geschickt vom Jahr 1938 bis zu seinem Tod. Seit den 1930er Jahren bestand ein großer Teil der in Sibelius’ Namen gesandten Briefe nämlich aus Antworten auf die verschiedenartigsten und neugierigen Anfragen und Ehrerweisungen der Verehrer.

In Ainola gab es schon in den 1930er Jahren eine Schreibmschine, aber die wichtigen Botschaften wollte Sibelius mit der Hand schreiben. Der Komponist dankte Mannerheim für dessen Glückwunschtelegramm.

Die hauptsächliche Korrespondenz erfolgte, neben mit Aino, mit den Verlegern Breitkopf & Härtel, Robert Lienau und Wilhelm Hansen sowie mit einigen Leuten im engsten Kreis des Komponisten. Wenn man von den letzteren eine „Hitliste“ auf der Basis von mindestens 100 abgesandten und empfangenen Briefen ausarbeitete, würden folgende Kandidaten auf der Liste stehen:

Axel Carpelan, Adolf Paul, Walter von Konow, Linda Sibelius, Christian Sibelius, Armas Järnefelt, Robert Kajanus, Arthur Travers-Borgström, Georg von Wendt und Mikko Slöör.

Was allein die von Sibelius selbst geschriebenen Briefe betrifft, ist die Stellung des Spitzentrios als Empfänger eindeutig. Aino Sibelius lässt mit ihren fast 700 Briefen alle anderen weit hinter sich. Um den zweiten Platz kämpfen ebenbürtig Axel Carpelan und Adolf Paul mit deutlich weniger als 200 Dokumenten.

Ein Verzeichnis zu Sibelius’ Korrepondenz ist seit etwa einem Jahrzehnt in Arbeit. Man hat schon in nahezu fünfzig einheimischen Stellen Dokumente gefunden. Die wichtigsten Sibelius-Sammlungen sind im Nationalarchiv, in der Finnischen Nationalbibliothek (früher Universitätsbibliothek Helsinki) und in der Bibliothek von Åbo Akademi sowie im Sibelius-Museum aufbewahrt. Neue Sibelius-Dokumente werden jedes Jahr gefunden. Sie können eingerahmt an den Wänden in Privathäusern hängen oder als ein Stoss auf dem Dachboden des Sommerhauses. Briefe, die Sibelius geschrieben hat, hat man sogar im Spirituosenschrank einer älteren Dame gefunden.

Geographisch ist das Sibelius-Material ist weit verstreut. Briefe des Komponisten werden in allen Erdteilen gefunden – vielleicht mit Ausnahme der Antarktis. Die Erforschung des Materials wird sicher noch Generationen in Anspruch nehmen.

Die Korrespondenz von Aino Sibelius

Sofort als Aino Järnefelt in die Schule kam, begann sie auch Briefe zu verschicken. Anfangs dienten die Verwandten und Schulfreunde als Empfänger ihrer Botschaften.

Die ersten Zeichen über die Existenz eines Jean Sibelius erschienen in Ainos Briefen sofort im Herbst 1888, nachdem sich die künftigen Ehegatten begegnet waren. Soweit wir heute wissen, hat ihre gegenseitige Korrespondenz ein paar Jare später begonnen (Siehe Der Briefwechsel zwischen Jean und Aino Sibelius).

Aino Sibelius schrieb vor allem ihren Verwandten. Von diesen stand die Mutter, Elisabeth Järnefelt, ihr anscheinend am nächsten. Im Haus Mattila (Siehe Wohnungen) berichtete sie am 4. Juli 1900 ihrer Mutter von der Abreise Jannes auf die Tournee mit Robert Kajanus’ Orchester:

Auch außerhalb des Verwandtenkreises hatte Aino Sibelius viele Brieffreunde, denen sie mit einer ausgezeichneten Handschrift schrieb, die sie sich bis über 90 Jahre bewahrte. Zu ihren nächsten Seelenverwandten gehörten unter Anderen Ilona Jalava, Anni Swan, Martha Tornell und Hilma Wiik-Arina.

Sonstige Korrespondenz

Biographisch interessant sind auch die Briefe, die Sibelius’ Freunde, Verwandte oder Leute, die ihm zufällig begegnet waren, einander schrieben.

Was die Vorväter und Nachkommen betrifft, stammen die ältesten Sibelius’ Leben illustrierenden Dokumente aus dem Jahr 1812. Das Material endet in den 1980er Jahren mit den damaligen Botschaften von Jussi Jalas, dem Schwiegersohn des Komponisten.

Das Diagramm unten ist ein Beispiel für den Informationsstrom in einem Teil von Sibelius’ engstem Kreis. Sibelius korrespondierte mit den im Diagramm erwähnten Freunden, die wiederum auch miteinander und mit eigenen Angehörigen in Briefkontakt standen.

Ein gutes Beispiel für interessante Briefe in Sibelius’ Bekanntenkreis ist Axel Carpelans Briefwechsel mit seiner Kusine Lydia Rosengren vor dem Jahre 1903, in dem Carpelan zu ihr zog und die Korrepondenz endete.

In den Jahren 1901-1903 traf Carpelan Sibelius mehrere Male und sandte Lydia nach jedem Treffen einen langen Brief über seine Konversation mit dem Komponisten. In diesen Briefen berichtet Carpelan biographisch sehr interessante Details über Sibelius’ Schuldlage, Arbeitsweisen und Pläne zu Kompositionen.

Einen sehr interessanten Aufschluss gibt es zum Beispiel vom Oktober 1901, als Carpelan nach seinem ersten Besuch in der Kerava-Wohnung der Familie Sibelius Lydia über die 2. Symphonie, die noch in Arbeit war, schrieb:

„Dieses Werk, das mir gewidmet wird, ist eine neue große Symphonie in fünf Sätzen, [sie ist] durch Italien und Mittelmeer inspiriert, eine Symphonie voller Sonnenschein und jubelnder Freude. Sie ist erst skizziert, aber die Reinschrift dauert nur 5-6 Tage.“

Sibelius’ Gedanken von seiner Symphonie veränderten sich gegen das Jahresende, und das vollendete Werk hat vier Sätze. [Siehe auch Musik]